Mit der Reform des Investmentsteuergesetzen im Januar 2018 hat sich die Besteuerung von Investmentfonds verändert.
Die aktuelle Besteuerung von Aktien-ETFs möchte ich auf dieser Seite mit einem Ablaufdiagramm erläutern.
Hinweis: Es handelt sich hier bei in keinster Weise um eine Steuerberatung!
1. Grundsatz:
Alle Erträge aus einem Aktien-ETF (Aktienquote > 50%) werden zu 70% versteuert („Teilfreistellung“).
2. Grundsatz
Damit dem Staat keine Steuern durch die Lappen gehen, wenn du dich für einen thesaurierenden ETF entscheidest, wurde die sogenannte Vorabpauschale eingeführt.
Vorabpauschale = Basisertrag – Ausschüttungen, mindestens 0.
Wenn es keine oder eine negative Kursentwicklung gegeben hat, ist die Vorabpauschale 0.
Basisertrag = Fondswert am Jahresanfang x Basiszins x 0,7
Der Basisertrag ist jedoch auf den Gesamtertrag des Fonds (Wertsteigerung + Ausschüttung) begrenzt.
Als letzte Variable bleibt also der Basiszins. Dazu muss man in das Investmentsteuergesetzt §18 Abs. 4 schauen:
„Der Basiszins ist aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen abzuleiten. Dabei ist auf den Zinssatz abzustellen, den die Deutsche Bundesbank anhand der Zinsstrukturdaten jeweils auf den ersten Börsentag des Jahres errechnet. Das Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht den maßgebenden Zinssatz im Bundessteuerblatt.
Es ist der erste ermittelte Wert des Jahres, er wird jedes Jahr Anfang Januar vom Bundesfinanzministerium veröffentlicht.
Man findet ihn also konkret als Veröffentlichtes Schreiben auf dieser Seite: Bundesfinanzministerium.
Und so sieht dieses Dokument dann aus: BMF-Schreiben 2022
Für das Jahr 2019 betrug er 0,52 %, 2020 liegt er bei 0,07 %, seit 2021 ist er mit -0,45% negativ und 2022 wurde er auf -0,05% festgesetzt. D.h. für 2022 wird aufgrund des negativen Basiszinssatzes keine Vorabsteuerpauschale erhoben.
Der Durchschnittswert der 20 Jahre von 2000-2019 beträgt dabei satte 3,17 % (Quelle, Durchschnittsberechnung von mir durchgeführt)
Wie wird das nun in der Praxis umgesetzt?
Die Vorabpauschale wird jedes Jahr berechnet und 70% davon werden mit 26,375% (keine Kirche) besteuert. Diese Steuern werden von deiner Bank / deinem Broker automatisch von deinem Verrechnungskonto eingezogen.
Damit du am Ende nicht doppelt besteuert wirst, werden beim Verkauf des Fonds alle Vorabpauschalen, die in den Jahren davor angefallen sind, vor der Versteuerung vom Gewinn abgezogen.
Der Vorteil ist, dass man sich als Anleger weniger Gedanken machen muss, alle Steuern werden von deiner Bank oder deinem Broker direkt abgeführt.
Der Nachteil ist, dass sich der Zinseszinseffekt auch beim thesaurierenden ETF nicht mehr voll entfalten kann, weil man die Steuer auf die Vorabpauschale bezahlen muss.
Um das Ganze besser zu verstehen, ist der Ablauf in folgender Grafik dargestellt:
Lass uns das Diagramm mit Hilfe von Beispielen durchgehen:
Beispiel 1:
Wert des Fonds am Jahresanfang: 10.000 €
Wertsteigerung: 500 €
Ausschüttung: 0 €
Basiszinssatz (2019): 0,52%
Kapitalertragssteuer: 26,375 % (inkl. Solidaritätszuschlag)
Basisertrag = 10.000 € x 0,0052 x 0,7 = 36,40 €
Er ist damit kleiner als der Gesamtertrag (500 €) und entspricht damit dem endgültigen Basisertrag, außerdem ist die Ausschüttung 0 €, also:
Vorabpauschale = 36,40 €
Steuer dieses Jahr = Steuer(Vorabpauschale) = 0,26375 x 61,60 € x 0,7= 6,72 €
Beispiel 2:
Wert des Fonds am Jahresanfang: 10.000 €
Wertsteigerung: 400 €
Ausschüttung: 100 €
Basiszinssatz (2019): 0,52%
Kapitalertragssteuer: 26,375 % (inkl. Solidaritätszuschlag)
Basisertrag = 10.000 € x 0,0052 x 0,7 = 36,40 €
Er ist damit kleiner als der Gesamtertrag (500 €) und entspricht damit dem endgültigen Basisertrag, also:
Vorabpauschale = 36,40 € – 100 € = -63,60 € –> Vorabpauschale = 0 €
Die Ausschüttung (100 €) ist größer als die Vorabpauschale (0 €), daher gilt:
Steuer dieses Jahr = Steuer(Ausschüttung) = 0,26375 x 100 € x 0,7 = 18,46 €
Es sieht also so aus, als wäre der thesaurierende Fonds trotzdem besser als der ausschüttende, weil die Steuerlast höher ist.
Beim Verkauf passiert nun jedoch folgendes:
Steuer Verkauf = (Gewinn – Vorabpauschale) x 0,26375 x 0,7
Verkauf des thesaurierenden Fonds:
Steuer Verkauf = (500 € – 36,40 €) x 0,26375 x 0,7 = 85,50 €
Gesamte Steuerlast = 6,72 € + 85,50 € = 92,32 €
Verkauf des ausschüttenden Fonds:
Steuer Verkauf = (400 € – 0 €) x 0,26375 x 0,7 = 73,85 €
Gesamte Steuerlast = 18,46 € + 73,86 € = 92,31 €
An dieser Stelle muss ich daher sagen: Respekt an den Finanzbeamten oder wen auch immer, der sich das ausgedacht hat!
Es ist also mittlerweile ziemlich egal, ob man sich für einen Thesaurierer oder einen Ausschütter entscheidet, zumindest wenn man vor hat die Ausschüttungen wieder anzulegen.
ABER!
Wie wirkt sich diese Besteuerung nun auf den Zinseszinseffekt aus?
Wenn ich wissen wollte wie groß mein Vermögen in 20 Jahren sein könnte, habe ich mir einen Zinseszinsrechner mit regelmäßiger Sparrate gesucht, je nach Szenario einen Zinssatz von 6-10% eingestellt und geschaut, wo die Reise hingeht.
Für einen Thesaurierer war das auch in Ordnung.
Aber wie ist es jetzt in Hinblick auf die Vorabpauschale? Und wie schlägt sich auf lange Sicht ein Ausschütter, bei dem die Ausschüttung jedes Jahr versteuert wird?
Die Vorabpauschale hängt stark vom Basiszinssatz ab und der wiederum ist letzten Endes der EZB ausgeliefert. Vor der Finanzkrise 2008 war der Basiszins bei über 4,5%! ETFs kauft man üblicherweise in der Absicht eines langen Haltezeitraumes von Jahren oder besser noch Jahrzehnten, da kann viel passieren.
Mich hat diese Frage umgetrieben, daher habe ich ein Excel Tool in VBA geschrieben, um genau dies herauszufinden.
Eine nähere Beschreibung dieses Tools und wie du es bekommst findest du hier.